PROF. DR. MED. IRMELA JEREMIAS

Verbesserung der Therapie von Kindern mit Tumorerkrankungen

Kinder mit Krebserkrankungen benötigen die bestmögliche Therapie, um die Tumorerkrankung zu besiegen. Prinzipiell wirkt Krebstherapie dadurch, dass sie Tumorzellen beschädigt, so dass der Körper die Zellen dann abbaut. Leider gibt es jedoch Tumorzellen, die sich sehr geschickt dem Einfluss der Krebstherapie entziehen, so dass die Therapie nicht wirken kann. Das Ziel unserer Gruppe ist, neue Ansätze der Krebstherapie zu entwickeln und bestehende Ans‰tze zu verbessern, so dass heute noch nicht heilbare Krebsformen heilbar werden. Eine zukünftige Therapie sollte hoch wirksam, gezielt, auf den einzelnen Tumor zugeschnitten, die Stamm zellen treffend und nebenwirkungsarm sein.

Die heutige Krebstherapie besteht aus den Säulen Chemotherapie, Chirurgie, Radiotherapie und Immuntherapie (Abbildung 1). Das Ziel aller dieser Therapieformen ist die Beseitigung der Tumorzellen. Der Chirurg entfernt die Tumorzellen mit seinen Händen aus dem Körper des Patienten. Das Wirkprinzip von Chemotherapie, Radiotherapie und Immuntherapie ist ein gemeinsames: Alle drei Therapieansätze lösen ein Programm in den Tumorzellen aus, das den Zelltod zur Folge hat.

Tote Zellen sehen im Gegensatz zu gesunden Zellen klein und schrumpelig aus, sowohl Zellen von soliden Tumoren wie dem Neuroblastom (Abbildung 2 a), als auch Leukämiezellen (Abbildung 2 b). Das Programm des Zelltodes ist ein hochkompliziertes, fein reguliertes Gefüge, das darüber wacht, dass bei gesunden Personen das Gleichgewicht zur Zellneubildung aufrechterhalten bleibt. Bei der Entwicklung der Krebserkrankung hat jedoch Zellbildung, Zellwachstum und Zellausbreitung krankhafter Weise die überhand über den Zelltod gewonnen. Ziel der Therapie ist es, Krebszellen in den Zelltod zu treiben.
Diejenigen Kinder können von ihrer Krebserkrankung geheilt werden, in deren Tumorzellen wir Zelltod auslösen können. Die Krebszellen einzelner Kinder entziehen sich aber geschickt vor dem Zelltod und lassen die Krebstherapie unwirksam werden mit sehr unangenehmen Folgen für die Kinder. Hier benötigen wir Therapieformen, die diese Therapieabwehrenden Mechanismen überwinden.

Das Ziel unserer Arbeiten ist es, therapeutische Ansätze zu generieren, die folgende Eigenschaften haben:

  • Die Therapie soll hoch effizient Zelltod in den Tumorzellen auslösen.
  • Die Therapie soll gegen die Tumorstammzellen als wichtigster Untergruppe an Tumorzellen gerichtet sein.
  • Die Therapie soll gezielt diejenigen individuellen Mechanismen in jeder Krebszelle angreifen, die diese in den Zelltod treibt, und auf den einzelnen Patienten ausgerichtet sein.
  • Die Therapie soll gezielt die Tumorzellen treffen und die normalen Zellen verschonen.

Wir führen unsere Forschungsarbeiten in Rahmen einer Nachwuchsgruppe im Helmholtz Zentrum München durch (Abbildung 3). Wir untersuchen zum einen therapeutische Ansätze, die heute in der Therapie eingesetzt werden wie Zytostatika der Routine-Chemotherapie oder Bestrahlung, um diese besser zu verstehen und noch effektiver einsetzen zu können. Zum anderen untersuchen wir neue Substanzen, die sich in präklinischen Testungen befinden oder gerade erstmals bei Menschen eingesetzt werden.
Wir untersuchen insbesondere solche Tumorzellen, in denen die Zytostatika nicht in der Lage sind, Zelltod auszulösen und identifizieren den Mechanismus, über den die Zellen der Therapie ausweichen. Wenn wir die Schlüsselmoleküle identifiziert haben, die den Zelltod verhindern, dann suchen wir nach gezielten therapeutischen Ansätzen, diese Schlüsselmoleküle zu attackieren, um die Therapie-Resistenz zu überwinden.

In den letzten Jahren haben wir vor allem mit zwei neuen Substanzen gearbeitet, die Teil einer zukünftigen Krebstherapie sein könnten, nämlich TRAIL und Betulinsäure (Eur J Immunol 1998, Blood 1999, Oncogene 2003, Leukemia 2004, Cancer Research 2005, Oncogene 2009). Wir versuchen zu verstehen, wie diese Medikamente auf die Krebszellen wirken und welche Signalschritte sie in den Zellen aktivieren, um letztendlich den Zelltod auszulösen.

Die laufenden Chemotherapie-Protokolle untersuchen wir, um zu verstehen, wie einzelne Zytostatika miteinander interagieren, welche Substanzen sich besonders gut für Kombinationstherapien eignen und welche Medikamente sich gegenseitig verstärken. Hieraus ziehen wir neue Schlüsse für die Verbesserung bestehender Chemotherapie-Protokolle.
Wichtig sind für uns molekulare Techniken. Um zu verstehen, welche Rolle jedes einzelne Protein für den Zelltod spielt, regulieren wir mit Hilfe von eingeschleusten Genen diese Proteine in den Krebszellen hoch und runter. Damit können wir wichtige Schlüsse auf deren Beitrag für die Zelltodinduktion schlieflen.

Ist zum Beispiel ein Zelltod verhinderndes Protein in einer Zelle zu stark ausgeprägt und unsere molekulare Veränderung, die das Protein beseitigt, ermöglicht den Zelltod wieder, so wissen wir, dass wir Medikamente gegen genau dieses störende Protein entwickeln sollten. Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist es, neue therapeutische Methoden im Tiermodell auszutesten (Abbildung 4). Diese Versuche führen wir an der Leukämie als Beispielerkrankung durch. Dazu lassen wir menschliche Leukämiezellen in Mäusen wachsen. Wir haben weltweit erstmalig eine komplizierte Technik entwickelt, die es mit Hilfe von lentiviraler Transduktion erlaubt, die Entwicklung der Leukämie und die Effekte von Therapie sehr genau mittels Biolumineszenz zu verfolgen (Abbildung 5). Diese Technik hilft uns, unsere neuen Therapieformen vor dem Einsatz am Menschen genau auf ihre Wirkung und Nebenwirkung hin zu überprüfen.

Unsere Arbeit wäre nicht möglich ohne die tatkräftige Förderung durch Spender und Unterstützer verschiedener Seiten (Abbildung 6): Unsere Arbeitsgruppe ist im Helmholtz Zentrum München im Hämatologikum angesiedelt, das uns ein hervorragendes Forschungs-Umfeld bietet und unsere Arbeiten intensiv fördert. Wir erhalten Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und sind Teil des Sonderforschungsbereichs 684 “Normale und maligne Hämatopoese”.
Sehr dankbar sind wir für die Förderung durch verschiedene private Stiftungen wie der Deutschen JosÈ Carreras Leukämie-Stiftung e. V., der Wilhelm Sander-Stiftung und anderen. Besonders nennen möchte ich hier die “Mehr LEBEN für krebskranke Kinder – Bettina-Bräu-Stiftung”, die unsere Arbeiten seit Jahren fördert, wofür wir ausdrücklich danken möchten.

Wir danken allen Spenderinnen und Spendern für das in uns gesetzte Vertrauen und die Unterstützung unserer Arbeiten, ohne die viele unserer Projekte nicht möglich wären! Unsere Gruppe besteht zurzeit aus 2 Kinderärzten, 2 promovierten Naturwissenschaftlerinnen, 2 naturwissenschaftlichen Doktoranden, 3 technischen AssistentInnen sowie Medizinstudenten und Praktikanten (Abbildung 7).

PD Dr. med. Irmela Jeremias
Helmholtz Zentrum München Department of Gene Vectors Haematologikum